1952 - 1979
Nachkriegsjahre: So half die AWO
Das Engagement der Arbeiterwohlfahrt war in den frühen 1950er Jahren geprägt von den politischen und wirtschaftlichen Problemlagen der Nachkriegsjahre. Weitergeführt wurde die Unterstützung von Kriegsheimkehrern, Hinterbliebenen und Ausgebombten sowie von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, wobei eine ansteigende Zahl von Flüchtlingen aus der DDR hinzukam.
Da neben der noch schlechten Versorgungslage die traditionellen Sozialstrukturen im Zuge von Krieg und Bevölkerungsverschiebungen aufbrachen, war es nötig, verstärkt für Senioren Einrichtungen wie Heime und Altenbetreuungen aufzubauen. Aus diesen Gründen war es zudem erforderlich, auch die Lebensbedingungen von Kindern und Frauen zu verbessern. Häuser für Familien- bzw. Müttererholung wurden eingerichtet und Kindererholungsprogramme aufgelegt.
Der Ausbau des Verbandes
In den 1950er Jahren konnte die Arbeiterwohlfahrt ihren Aufbau zur Wohlfahrtsorganisation nahezu abschließen. Im Regierungsbezirk Schwaben bestand ein in den Landesverband Bayern eingebundener Bezirksverband und entsprechend der staatlichen Kreisstruktur waren flächendeckend Kreisverbände eingerichtet. Ein Netz von Ortsvereinen und Stützpunkten spannte sich über das in dieser Zeit noch weitgehend ländlich strukturierte Schwaben. Der dezentrale Aufbau analog der staatlichen Einteilung war den Mitwirkungs- und Finanzierungsmöglichkeiten geschuldet.
Die Zuständigkeiten der einzelnen Gliederungen wurden verteilt. Während der Bezirksverband nach den Möglichkeiten eines neu gebildeten Wohlfahrtsverbands Einrichtungen wie Jugend- und Seniorenheime, Kindergärten und Erholungshäuser aufbaute, die lokal aber auch im regionalen Rahmen genutzt wurden, arbeiteten in den Kreisverbänden
Vom Wirtschaftswunder profitierten längst nicht alle
Das Aufgabenprofil der Arbeiterwohlfahrt wandelte sich vor der Fassade des beginnenden „Wirtschaftswunders“ Mitte der 1950er Jahre. Zudem brachte die sich gleichzeitig vollziehende, über ihre bisher eher inselartige Struktur ausgreifende Industrialisierung Schwabens Veränderungen. Da sich die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung jedoch nur langsam verbesserten und die bislang schon Benachteiligten oftmals weiter zurück blieben, zeigte sich noch immer individuelle Not, die es weiterhin durch Hilfsmaßnahmen zu mindern galt.
Ähnliches wurde auch bei den unabdingbaren Sozialreformen deutlich, wie bei der Rentenreform im Jahre 1957. Sie entlastete die Arbeiterwohlfahrt nur teilweise.
Deshalb war das Kindererholungsprogramm so wichtig
Die Arbeiterwohlfahrt organisierte seit ihrer Wiedergründung Maßnahmen zur Kindererholung. Zunächst konnten körperlich geschwächte Kinder sich in heimischen Ferienhäusern der Arbeiterwohlfahrt oder befreundeter Organisationen erholen, alternativ an Stadtranderholungen teilnehmen. Ab Anfang der 1960er Jahre organisierte die Arbeiterwohlfahrt in Schwaben, ausgehend vom Kreisverband Kaufbeuren, Ferienverschickungen nach Südtirol. Neben dem Gestalten einer gemeinschaftlichen Ferienzeit war die Kräftigung der Kinder Ziel der Maßnahmen.
Das Kindererholungsprogramm entwickelte sich zu einem Schwerpunkt der Verbandsarbeit. In der Blütezeit der Kindererholungen in Südtirol Anfang der 1970er Jahre nahmen jährlich über 2500 schwäbische Kinder teil.
In der Folgezeit wurden die Kindererholungsmaßnahmen auch aufgrund eines engeren Finanzrahmens umgestaltet. Die Arbeiterwohlfahrt setzte nun auf mehr Qualität für weniger Kinder.
Das Bundessozialhilfegesetz hat viel bewirkt
Als 1962 das Bundessozialhilfegesetz das überholte Fürsorgerecht von 1924 ablöste, wurden einige lange von der Arbeiterwohlfahrt geforderte Prinzipien erreicht. Das Gesetz brachte die endgültige Abkehr von einer Armenpflege, deren Grundlage noch aus der Zeit des Obrigkeitsstaates stammte. Bewusst wurde nun der Begriff Sozialhilfe eingeführt. Ein Anspruch auf individuelle Hilfe wurde festgeschrieben, die Leistungen sollten zur Selbsthilfe befähigen und auch den persönlichen Bedarf des Bezugsberechtigten decken.
Das Sozialhilfegesetz regelte auch das Zusammenwirken von freien Wohlfahrtsverbänden und öffentlicher Wohlfahrtspflege. Über die Modalitäten gab es länger Diskussionen, letztendlich sollte partnerschaftlich nach dem Subsidiaritätsprinzip zusammengearbeitet werden. Für die Arbeiterwohlfahrt bedeutete dies, den Wandel zu einem modernen Sozialdienstleister für jedermann weiter zu gestalten. In diesem Prozess wurde, um die allseitige Offenheit zu demonstrieren, auch die Abkehr vom Namen Arbeiterwohlfahrt mit dessen Bezug zur Arbeiterbewegung diskutiert. Der traditionelle Name blieb, sollte aber, so wurde 1965 beschlossen, offener interpretiert werden.
In den 70er Jahre kam viel in Bewegung
Ende der 1960er Jahre hatte sich die Lebenssituation der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, verglichen mit der Zeit nach dem Krieg, verändert. Die akute Not der Nachkriegszeit war einer Prosperität gewichen, an der immer weitere Kreise der Bevölkerung teilhaben konnten, wenn sich auch die materielle Lage der Menschen nicht gleichmäßig verbesserte. Jedoch wurde dieser erfreuliche Trend seit den 1970er Jahren durch Wirtschaftskrisen, die die nahezu stetige Wirtschaftskonjunktur in Westdeutschland beendeten, und steigende Arbeitslosigkeit beeinträchtigt, so dass ein Teil der Bevölkerung hinter der Wohlstandsentwicklung der sich nunmehr ausbildenden Konsum- und Freizeitgesellschaft zurückblieb.
Hinzu kam ein anhaltender Wandel des Sozialverhaltens und der Werteorientierung mit einem Trend zur Individualisierung. Der gesellschaftliche Umbruch gewann in der Folgezeit noch an Dynamik. In dieser reformgeneigten Zeit Anfang der 1970er Jahre, angereichert mit den Diskussionen der aufbegehrenden Studenten- und Jugendbewegung sowie anderer neuer sozialer Bewegungen, stellte sich die Arbeiterwohlfahrt den gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen. Neue Arbeitsfelder wurden entwickelt.
Gebietsreform mit Folgen für die AWO-Verbände
Die bayerischen Landkreise und Gemeinden wurden durch die Gebietsreformen von 1972 bzw. 1976 neu zugeschnitten. Da sich die Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt zumeist an der administrativen Einteilung orientierten, blieb kaum ein Verband davon unberührt. In vielen Fällen kam es mit viel organisatorischem Geschick zu einer zeitnahen Angleichung, in einigen Fällen wurden jedoch alte Bezüge beibehalten.
So blieben zum Beispiel die Kreisverbände Krumbach und Günzburg selbständig, der Kreisverband Neuburg an der Donau schloss sich nicht Oberbayern an, hingegen vereinigten sich der schwäbische Kreisverband Friedberg und der ehemals oberbayerische Kreisverband Aichach.
Auch die Umstrukturierung des Organisationsaufbaus konnte den stetig wachsenden Zuspruch zur Arbeiterwohlfahrt nicht hemmen. Das war an den Mitgliederzahlen aber auch am Verbandsumsatz festzustellen. Allerdings veränderte sich die Altersstruktur der Mitglieder. Die Zahl der Mitglieder im Rentenalter wuchs überproportional. Die Arbeiterwohlfahrt sah das Engagement der reiferen Mitglieder als Helferinnen und Helfer und in der Verbandsarbeit durchaus positiv und bot Mitwirkungsmöglichkeiten an, warb aber gleichzeitig auch um die Mitarbeit von Menschen mittleren Alters.