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Im Alter etwas für die Bildung tun
Die Arbeiterwohlfahrt unter ihrem Vorsitzenden Stadtrat Dr. Wilhelm Stürmer hat einen Altenklub ins Leben gerufen, um der Vereinsamung der alten Leute vorzubeugen. Dr. Stürmer hielt einen Farblichtbildervortrag über den Staudamm von Assuan und errang viel Beifall für seine Reiseschilderung über Ägypten. Als nächste Veranstaltung ist ein Einführungsvortrag zum Besuch des Parabelstückes „Der gute Mensch von Sezuan" vorgesehen. Die Klubmitglieder kommen zusammen, um einen Vortrag von Schauspieler Richard Deutsch vom „Schwäbischen Landesschauspiel" über das Thema „Bertold Brecht und der Sozialismus" zu hören. Anhand des gegenwärtig im Spielplan laufenden Stückes „Der gute Mensch von Sezuan" wird Deutsch seinen Vortrag gestalten. Nachher werden die Eintrittskarten für den Besuch der Vorstellung am gleichen Tag im Stadttheater ausgegeben. Auf diese Weise soll das kulturelle Interesse der älteren Generation angeregt werden.
(Auszug aus der Memminger Zeitung, 22. April 1967)
Ferienerholung für Memminger Kinder
(Auszüge aus den Jahrbüchern der bayerischen Arbeiterwohlfahrt 1969/70 und 1970/71)
AW-Feriendorf im Pustertal
Im Rahmen einer großangelegten Ferien-Erholungsaktion der Arbeiterwohlfahrt in Schwaben dürfen heuer bereits im vierten Jahr 2600 Buben und Mädchen im Alter zwischen 6 und 15 Jahren herrliche Wochen im Südtiroler Pustertal verbringen. Das kleine Bergdorf Spinges, das rund 1200 m hoch liegt und sich durch ein ausgezeichnetes Klima besonders zur Erholung eignet, darf man mit Fug und Recht schon als ein „schwäbisches Kinderdorf" bezeichnen. Aus dem Stadt- und Landkreis Memmingen kommen heuer allein 150 Jugendliche in den Genuss dieser Erholungsmaßnahme. Vorgestern fand die große „Wachablösung" statt, die erste Gruppe von 75 kleinen Memmingern kehrte nach 27 wunderschönen Tagen in die Heimat zurück. Eine gleichstarke fröhliche Schar hat die Quartiere im Pustertal inzwischen schon wieder bezogen. Der Vorsitzende des Kreisverbandes Memmingen der Arbeiterwohlfahrt, Stadtrat Dr. Stürmer, berichtete uns von seinen Eindrücken bei einem Besuch in Spinges.
Als Arzt wies er besonders auf die Tatsache hin, dass sich diese Landschaft und Höhenlage für erholungsbedürftige Kinder hervorragend eignen. Der Klimawechsel wirkt sich vor allem günstig für eine Rekonvaleszenz aus, es gibt dort auch keinen Düsenlärm und keine „Memminger Düfte". Dazu kommt der gewünschte Erziehungseffekt in der großen Gemeinschaft und zugleich sind wohl auch die Eltern froh darüber, einmal für fast vier Wochen Abstand von ihren Kindern zu gewinnen. „Ich möchte es so sagen: Die Eltern können sich in gewisser Hinsicht in Memmingen auch erholen, wenn sie die tägliche Sorge um ihre Sprösslinge einmal in andere Hände geben können“, so betonte Dr. Stürmer.
Die Verpflegung in Spinges ist anerkannt gut und reichlich, so dass eine durchschnittliche Gewichtszunahme von zwei Kilogramm bei den Kindern üblich ist. Schmunzelnd berichtete uns Dr. Stürmer, dass einige Buben zum Mittagessen 34 Buchteln schafften, nachdem sie beim Frühstück bereits zehn Scheiben Brot verdrückt hatten.
Das Ferienprogramm ist so bunt und vielgestaltig wie die herrliche Südtiroler Landschaft. Bergtouren und Wanderungen, Sport und Spiel, dazwischen auch ausreichende Ruhezeiten, gemeinsames Singen, dies alles bildet die große Erholungstherapie. Von Zeit zu Zeit treffen sich die Gruppen aus den einzelnen Unterkünften zu einem gemeinsamen Heimabend, an dem auch alle Dorfbewohner teilnehmen. Die Südtiroler Gastgeber, die übrigens auch ihrerseits an dieser Aktion sehr interessiert sind, weil damit ihr manchmal kärgliches Einkommen aufgebessert wird, sind zusammen mit dem Bürgermeister, dem Pfarrer und anderen Bürgern von Spinges immer wieder gerne dabei, wenn die Memminger ein kleines Fest gestalten. Das Singen, Musizieren und Jodeln klingt dann weithin über das Tal.
Kinder erwecken Bergdorf zu neuem Leben - Kleine Memminger schließen Freundschaft mit Südtirol
Nie vorher haben wir eine solche Gastfreundschaft erlebt wie in Spinges. Der Ort zählt 240 Einwohner. Er liegt hoch droben am Berg. Drunten in Südtirol. Es gibt kein Verkehrsamt dort und keinen Minigolfplatz. Auch sonst eigentlich gar nichts, was Fremde anziehen könnte. Es sei denn, jemand zählt noch die himmlische Ruhe und die gute Luft, den unvergleichlichen schönen Blick hinunter ins Pustertal und eben die wortkarge, aber ehrliche Freundschaft der Bewohner.
Wahrscheinlich hätten auch wir Spinges nie kennengelernt. Es führt nur ein schmaler, kurvenreicher Sandweg hinauf. Kein Reklameschild verweist an der Straße von Franzensfeste nach Bruneck auf die Abzweigung, die sich zu dem kleinen Bergbauerndorf bergan schlängelt. Man muss schon Bescheid wissen, sonst gelangt man nie dorthin. Über die Kinder besteht eine besondere Beziehung zwischen Memmingen und Spinges. Seit ein paar Jahren leben im Sommer mit den Einwohnern von Spinges fast ebenso viele schwäbische Kinder. Die Arbeiterwohlfahrt hat das kleine Dorf entdeckt, das außer dem Platz zwischen der Kirche und dem Gasthaus keinen ebenen Fleck besitzt. Die Häuser kleben am steilen Hang. Selbst die paar, die sich um die Kirche drängen, liegen weiter unten oder oben. Die Leute von Spinges sagen nur „die Kinder". Gemeint sind die Sommergäste, die durch die Arbeiterwohlfahrt jeweils vier Wochen Leben ins Dorf bringen. Am Vormittag hallen die Schlachtrufe der Eroberer um die Ecken der Städel, am Nachmittag fliegt der Fußball abwechselnd in den Dorfbrunnen und ins Blumenbeet beim Senoner. Niemand schimpft. Oft sind die lebhaften Schwaben unterwegs auf den Berg hinauf, wo ein kalter Weiher ungeahnte Möglichkeiten zum Spielen bietet. Oder die Gruppen gehen hinunter zu dem eigens für sie angelegten Spielplatz.
Gleich am Dorfeingang wohnen die größeren Mädchen in Vierbettzimmern im „Haus Rogen". Es ist eines jener neu gebauten Häuser, die nur für diesen Ferienbetrieb da sind. Um die Sache für die Südtiroler etwas lohnender zu gestalten, wird auch „Altenerholung" außerhalb der Schulferien organisiert. Spinges, bei der italienischen Behörde Spinga genannt, liegt so exponiert, daß die Memminger Omnibusse die Kinder nicht hinbringen können. Unten am Berg müssen sie jeweils in den Kleinbus umsteigen. Die Arbeiterwohlfahrt hat diesem Südtiroler Bergdorf eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen. Es wird gewiss niemand reich dabei, aber droben im Haus Blank z. B. ist die große alte holzgetäfelte Bauernstube mit den Bildchen, die man hierzulande allesamt in den Antiquitätenläden für gutes Geld anbieten würde, jetzt gut genutzt. Die kleinen Memminger Mädchen essen dort. Eine hat elf Apfelküchle geschafft. Die Buben haben für diese Leistung keine Anerkennung übrig. Bei ihnen hat es einer auf 32 gebracht. Dabei ist er keineswegs zufrieden. Als Hähnchen auf dem Speisezettel standen, konnten die Mädchen am Sonntagvormittag nicht schnell genug nach der Kirche zurück ins Quartier kommen. Um 10.30 Uhr ist das Dorfkirchlein fast zu klein, wenn die Kindergruppen mit ihren Betreuern alle kommen.