Bergheim Rechtis nach der ersten Erweiterung

Schon bald nach der Inbetriebnahme 1949 hatte sich das Bergheim Rechtis angesichts der hohen Nachfrage – nicht nur Kinder aus dem Kreisverband sondern aus ganz Deutschland, insbesondere aus dem Ruhrgebiet, kamen hierher zur Erholung – als zu klein erwiesen, so dass bald ein Erweiterungsbau geplant wurde. Die Bauarbeiten zum Erweiterungsbau begannen aber erst 1953, obwohl schon an den Pfingstfeiertagen des Jahres 1948 Michael Wittmann mit den ersten Planungen begonnen hatte. Wittmann übernahm ehrenamtlich nicht nur die gesamte Bauleitung, sondern, zusammen mit seinem Sohn Michael, auch die Bauausführung in den folgenden Jahren.

Nach den jahrelangen Vorbereitungen errichteten Vater und Sohn Wittmann am 25. April 1953 gemeinsam mit Helfern ein Schnurgerüst und begannen mit dem Aushub. Da sie bald auf Felsen stießen, mussten sie sprengen. An den Wochenenden und freien Tagen arbeiteten Vater und Sohn Wittmann, die anfangs in Rechtis in einer Kegelbahn nächtigten, gemeinsam mit den Maurern Hans Aman, Hans Bauer, Bruckeder, Heinrich Fehnle, Hans Löb, Mora, Witzigmann und Martin Steirer, den Schreinern Ludwig Eberle, Josef Fäth, Josef Rieger, Fritz Strauß und Alfons Wegmann sowie den als „Hilfsarbeitern“ eingeteilten Mitgliedern Georg Aichele, Xaver Barnsteiner, Georg Bauer, Kurt Bayer, Georg Fehnle, Andreas Homanner, Martin Kirmaier, Josef Mayer, Ludwig Schelle, Xaver Schindelbeck, Adolf Scholze, Strobel, Sellinger, Michael Wagner, Josef Wohlrab und Josef Zeißele und anderen auf der Baustelle. Die Versorgung hatten einige Ehefrauen der Bauleute übernommen, die auch nach Fertigstellung des Gebäudes die Reinigung durchführten.

Im Laufe des Jahres 1953 konnten der Aushub bewältigt, das Kellergeschoß betoniert, Erd- und Obergeschoß gemauert und die Decken betoniert werden. Anfang November wurde bei Schneesturm und einer Schneehöhe von einem Meter der Dachstuhl aufgerichtet, danach das Dach geschalt, der Giebel gemauert und das Blechdach aufgebracht.

Vom 13. Dezember 1953, dem Tag der jahreszeitlich bedingten Einstellung der Bauarbeiten, ruhte bis zum 15. Mai 1954, abgesehen von kleinen Ausnahmen, der Bau. Ab diesem Datum wurde bis zum 22. August – mit bis zu 14 Stunden am Tag – weitergearbeitet. Außer dem Neubau waren noch Quellen zu fassen, Wasserleitungen zu verlegen, Schächte zu setzen und ein Pumpenhaus zu errichten.

Neben den Bauarbeiten hatte sich Michael Wittmann (sen.) zudem um die gesamte Organisation zu kümmern, angefangen von der Einreichung der Baupläne beim Landratsamt über die Beschaffung des gesamten Baumaterials, unter anderem in Augsburg und Hindelang, bis zu dessen Transport nach Rechtis. Den Besitzer eines Kieswerks bewegte er dazu, kostenlos das gesamte Material anzufahren. Der Oberbürgermeister von Kempten, August Fischer, erlaubte die Benutzung der Maschinen der städtischen Schreinerei; außerdem durfte Moritz Hutter an den Wochenenden Personen- und Materialtransporte nach Rechtis durchführen. Die Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr Kempten half, die Deckenträger für Ober- und Dachgeschoß zur Baustelle zu transportieren. Viele Firmen gaben Wittmanns Bitten nach und stellten Material kostenlos zur Verfügung. Die Spenden reichten von vier Lichtschachtgittern über Dielen und 63 Tonrohren bis zu insgesamt 60 Sack Kalk und 110 Sack Zement im Gesamtwert von 2127,35 DM. Das Verlegen der Elektroleitungen übernahm das Allgäuer Überlandwerk. Allein für den Neubau hatten Vater Wittmann 491 und sein Sohn 400 Arbeitsstunden erbracht. Sie waren ebenso unentgeltlich geleistet worden wie die rund 20000 Stunden aller Helfer zusammen.

Bei der Fertigstellung wurde der Wert des Anwesens auf 120000 DM geschätzt. Davon wurden etwa 70000 DM in Eigenarbeit aufgebracht. In zweijähriger Arbeit konnte eine ganzjährig nutzbare Unterkunft für 60 Kinder geschaffen werden. 1955 wurde das Dachgeschoss ausgebaut. Damit kamen Schlafplätze für weitere 20 Kinder hinzu; 1963 folgten eine Terrasse und der untere Spielsaal.

1966 kam es wegen einer fehlenden Brandschutzmauer zwischen der alten Baracke und dem Neubau zur Beanstandung durch die Brandversicherung. Das Problem konnte trotz finanzieller Schwierigkeiten nur durch den Abbruch des Holzbaus und durch einen zweigeschossigen Neu- und Anbau gelöst werden.

Die Aushubarbeiten begannen noch im Dezember 1966. Am 23. Juni 1968 konnte der Erweiterungsbau eröffnet werden. Durch den Umbau war es bei gleich bleibender Zahl von 95 Betten möglich, die Doppelstockbetten durch Einfachbetten zu ersetzen. Ebenso konnten die Aufenthaltsräume, die Zimmer der Erzieher und des Hauspersonals umgestaltet werden. Die sanitären Einrichtungen wurden modernisiert, eine Öl-Zentralheizung neu installiert sowie die Küche und die Gerätschaften auf den technisch neuesten Stand gebracht.

Die Gesamtkosten beliefen sich auf 470000 DM, die durch die Aufnahme einer Hypothek, Eigenmitteln und Eigenleistung im Wert von zusammen 105000 DM, durch Firmenspenden sowie Zuschüsse der Stadt Kempten, des Bezirks Schwaben und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern gedeckt waren. Dies waren die ersten staatlichen Gelder, die der Kreisverband für das Bergheim erhielt, nachdem er fast 20 Jahre lang alle Aufwendungen für den Betrieb des Heimes ohne irgendeine Förderung durch staatliche Stellen finanziert hatte.

Die Heimleiterin war 20 Jahre lang „Tante“ Friedel Schneider. Im Jahr 1989 verkaufte der Kreisverband Kempten (Allgäu) das Anwesen.

 

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