Am 27. Januar 1925 richtete Stadtrat Georg Mohr nach dem Erlass der am 13. Januar 1925 veröffentlichten bayerischen Verordnung zur Verwaltung der Fürsorgeverbände ein Schreiben an den Stadtrat von Neu-Ulm mit der Bitte, bei der Kammer des Innern der Regierung von Schwaben und Neuburg „zu erwirken, dass dem Verein [für Arbeiterwohlfahrt, Ortsverein Neu-Ulm] nach Art. 1 V Satz 2 Befreiung erteilt wird, und demselben eine Vertretung im Wohlfahrtausschuss der Stadt NeuUlm zuerkannt wird“. Als Begründung hierfür führte er u.a. an, dass „wenn auch nicht offiziell unter diesem Namen schon seit 1921 unter Leitung bestimmter Frauen aus dem Arbeiterstand […] Hilfsbedürftigen aller Kreise besonders in der Inflationszeit hilfreich zur Seite […] stehen“. Der Vorsitzende Mohr erklärte des weiteren, dass diese „Frauen […] schon 4 Jahre lang an der öffentlichen Wohlfahrtspflege der Stadt dadurch beteiligt [sind], indem sie an allen Wohlfahrtmassnahmen der Stadt aktiven Anteil genommen haben, wie Quäckerspeisungen, Suppenküche, Sammeltätigkeit und dergleichen mehr.“ Als Mitgliederzahl gab Mohr „über 100 Frauen und Männer aller Bevölkerungsschichten“ an. Nachdem der Stadtrat – die Sozialdemokraten bildeten in Neu-Ulm die stärkste Fraktion – diesen Antrag befürwortet und am 2. Februar an die Regierung weitergeleitet hatte, gab die Kammer des Innern der Regierung von Schwaben und Neuburg am 6. Februar dem Antrag statt und erteilte dem Ortsverein Neu-Ulm die gewünschte Ausnahmegenehmigung. Am 11. Februar forderte der Stadtrat den Verein für Arbeiterwohlfahrt auf, ein Mitglied und dessen Stellvertreter für den Wohlfahrtsausschuss zu benennen, was Stadtrat Mohr noch am gleichen Tag mit einem Schreiben an Franz Josef Nuißl, den 1. Bürgermeister, erledigte. Die genaue Gründungsgeschichte der Arbeiterwohlfahrt in Neu-Ulm bleibt leider unklar, jedoch deutet Korrespondenz aus den Jahren 1922 und 1923 darauf hin, dass schon seit 1921 eine Ortsgruppe der Arbeiterwohlfahrt in Neu-Ulm aktiv war. Dieses Gremium um den „vorläufigen Vorsitzenden“ Ihle sprach sich ganz im Sinne der grundlegenden Ziele der Arbeiterwohlfahrt für die „Errichtung eines Wohlfahrtsamtes“ aus.

Dem Vereinsvorstand des Jahres 1926 gehörten Adolf Wilhelm (1. Vorsitzender), Wally Kaiser (Stellvertretende Vorsitzende), Fritz Schulrabe (Kassier) sowie Alois Gaiser und Martin Harz (1. und 2. Schriftführer) an. Beisitzer waren Anna Bantleon, Margarete Joos, Schaile, Hans Imhof (Vertreter der Partei), Heinrich Glasbrenner (Vertreter des Stadtrats) und die Lehrerin Anna Pfänder (Hauptausschuss Wohlfahrtsamt).

Neben den Sammelaktionen und einer Losbrief-Lotterie der Arbeiterwohlfahrt bestand 1926 eine der Möglichkeiten zur Beschaffung bescheidener Mittel u.a. im Verkauf der „Friedrich-Ebert-Postkarte“, auf der der erste Reichskanzler mit seiner handschriftlichen Widmung „Die Arbeiter-Wohlfahrt ist die soziale Selbsthilfe der Arbeiterschaft“ abgebildet war. Die Mitte März 1926 abgehaltenen Friedrich-Ebert-Gedächtnisfeiern des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold boten Gelegenheit, die Postkarten und dazu Wohlfahrtsmarken zu verkaufen.

Bereits 1926 bereitete der Ortsverein eine Erholungsverschickung für Kinder vor, die aber erst 1927 mit 12 Mädchen und 2 Jungen im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren durchgeführt wurde. Die Kinder fuhren mit Zuschüssen der AOK Neu-Ulm (pro Kind und Tag: 60 Pfennig) und der Rosenheimer Reichsbahn-Betriebskasse (ein Drittel der Kosten) für vier Wochen ins „Spatzennest“. Das „Spatennest“ war zu Pfingsten 1927 von den Naturfreunden Ulm neu eröffnet worden. Es besteht heute noch bei Blaustein-Weidach.

Zu den weiteren Vorsitzenden diesen Jahren vor dem Verbot gehörte der Stadtrat Heinrich Glasbrenner – u.a. mit Anna Pfänder als Schriftführerin und Adolf Wilhelm als Kassier. Der letzte Vorsitzende des Ortsvereins war der Stadtrat Peter Schöllhorn. 1932 zur Hochzeit der Weltwirtschaftskrise musste es unter anderem Aktivitäten für eine Nähstube gegeben haben, da Frauen von der Arbeiterwohlfahrt aus Neu-Ulm an einem Lehrgang für Nähstubenleiterinnen in Honau teilgenommen haben. Außerdem wurden Suppenküchen eingerichtet.

Der Stadtrat Neu-Ulm teilte in seinem Schreiben vom 5. April 1933 dem Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt Neu-Ulm, dem Stadtrat Peter Schöllhorn, unter dem Betreff „Verbot marxistischer Organisationen“ folgendes mit:

Der kommissarische Minister für das Bayer. Staatsministerium hat am 29.3.33 unter Nr.2227 a 4 auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk u. Staat folgendes verfügt:

„Die Betätigung in jeder Form von Organisationen, deren eigentlicher Zweck die Wahrnehmung u. Förderung der beruflichen, gesundheitlichen, gesellschaftlichen, turnerischen, sportlichen u. bildungsmässigen Interessen ihrer Mitglieder ist, wenn der Personenkreis, den sie umschliessen, insbes. die leitenden Kräfte, der marxistischen Weltanschauung nahestehen, oder ihre Haltung hierauf schliessen lässt, ist verboten (z.B. Radfahrbund Solidarität, Naturfreundeverein usw.)“
Hievon werden Sie zur Verständigung Ihrer Mitglieder u. Darnachachtung in Kenntnis gesetzt. gez. Nuißl

Am 10. April 1933 richtete das Liegenschaftsamt der Stadt Neu-Ulm ein Schreiben an Peter Schöllhorn, worin es dem Ortsverein mitteilte, dass das von der Stadt in der Friedenskaserne unentgeltlich überlassene Zimmer (Nr. 81) „mit sofortiger Wirkung entzogen“ wird.

Kurz darauf wurden alle Organisationen der Arbeiterbewegung, darunter die Arbeiterwohlfahrt, von den Nationalsozialisten zerschlagen.