Auszüge aus den handschriftlichen Erinnerungen von Angela Langer
Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Wertingen
Die Arbeiterwohlfahrt wurde 1949 durch Mitglieder der SPD gegründet und bestand zum Großteil aus Heimatvertriebenen.
Ortsverein Meitingen: Vorsitzende Maria Minarsch. Diese siedelte bald nach Augsburg über. Vorsitzende wurde später Grete Stohl.
Ortsverein Wertingen: Vorsitzender Alfred Schubert, später Karl Riesinger.
Ortsverein Pfaffenhofen: Vorsitzender war Richard Schaffer, nach dessen Tod Anton Kabat.
Als wir genügend Mitglieder in den drei Ortsvereinen hatten, wurde der Kreisverband gegründet; Sitz Meitingen. 1. Kreisvorsitzender Alfred Schubert, 2. Kreisvorsitzende Angela Langer.
Im Herbst 1951 übernahm Hedwig Bauer den Kreisvorsitz. Legte ihn aber zum Jahresende wieder ab. So fiel das Amt vorübergehend an mich. Bei der Kreiskonferenz im Frühjahr 1952 wurde ich als 1. Kreisvorsitzende gewählt und blieb Kreisvorsitzende bis zur Auflösung des Landkreises Wertingen im Juli 1972. Ich brachte das Amt der Kreisvorsitzenden nicht los. Es war eine große Belastung für mich. Haushalt, Beruf, Kreisverband und außerdem noch die Mitarbeit im Ortsverein Meitingen.
Bei der Kreistagswahl im Jahre 1952 wurde ich zudem mit fast 6000 Stimmen in den Kreistag gewählt. Vom Landrat Rauch wurde ich in den Sozialhilfeausschuss vorgeschlagen und dann vom ganzen Kreistag gewählt. Im Sozialhilfeausschuss war ich von 1952 bis einschließlich Juni 1972, der Auflösung des Landkreises Wertingen. Von 1952 bis 1956 war ich auch im Wohnungsausschuss. Als Kreisrätin hatte ich großen Einfluss und konnte so viel für die Allgemeinheit tun. Das wirkte sich auch auf die Arbeiterwohlfahrt aus.
Vom Jahr 1952 an gründeten wir die Ortsvereine Westendorf, Blankenburg, Markt und später Herbertshofen. Da viele Arbeiterwohlfahrtsmitglieder vom Landkreis Wertingen nach Augsburg und Umgebung zogen, weil es hier keine Arbeitsmöglichkeiten gab, wurde der Kreis immer kleiner. Der Mitgliederstand verringerte sich. Die kleinen Ortsvereine Blankenburg und Markt lösten sich auf. Blankenburg blieb als Stützpunkt bei Westendorf und Markt kam zu Herbertshofen.
Alle Vierteljahre hielt ich eine Kreisausschusssitzung ab. Der Kreisausschuss setzte sich zusammen aus der 1. Vorsitzenden Angela Langer, dem 2. Vorsitzenden Alfred Schubert (später Ernst Dittrich), dem 1. Kassier Karl Klinger, dem 1. Schriftführer Kurt Meierhold, der 2. Schriftführerin Erna Prax und den Revisoren Leopold Kronl und Feierfeil. Beisitzer waren die jeweiligen Ortsvorsitzenden. Wir erörterten alle anstehenden Fragen, Punkte und Neueingänge. So waren alle Ortsvereine auf dem Laufenden. Dadurch gab es eine gute Zusammenarbeit.
Die Arbeit in den Ortsvereinen und im Kreis selbst war sehr rege, aber es war ein schweres Stück Arbeit. Die Arbeiterwohlfahrt wurde ja von den Heimatvertriebenen ins Leben gerufen. Wie gut wir Heimatvertriebenen in der neuen Heimat angesehen waren, das werden die Ortsansässigen am besten wissen. Und trotzdem haben wir alle dazu beigetragen, dass die Arbeiterwohlfahrt das wurde, was sie heute ist.
In den ersten Jahren der Gründung war es sehr schwer, etwas zu unternehmen. Es war ja kein Startgeld da. Die Mitgliedsbeiträge und die paar Mark von den Sammlungen ließen keine großen Sprünge zu. Wir bekamen später Trockenmilch, Ei-Pulver und Mehl zugewiesen. Das wurde an die Ortsvereine aufgeteilt und von denen dann an die Bedürftigen verteilt. Ab und zu bekamen wir von einem Meitinger Bürger, der in Amerika war, CARE-Pakete, die wir ebenfalls verteilten.
An Weihnachten wurden die Leute zu einer Weihnachtsfeier eingeladen. Wir spielten auch ein Weihnachtsstück, das mit großem Beifall aufgenommen wurde. Es passte so recht in die damalige Zeit hinein. Ich als Kreisvorsitzende spielte eine schwerkranke Mutter. Musste dabei arg husten. Das muss ich so echt gekonnt haben, dass man mich, als ich von der Bühne kam, sehr bedauerte wegen dem argen Husten. Bei der Weihnachtsfeier haben wir die Kinder mit Obst und Backwerk beschenkt. Wir bekamen von einem Bäcker, der auch Zuckerbäcker war, etwas Backwerk. Wie wir es in die Tüten verteilen wollten, da waren schon Fäden im Backwerk, so altes Zeug hatte der uns gegeben.
Bedürftige Leute wurden bei den Feiern mit Geld beschenkt. Sie bekamen 10 DM in einem Umschlag, den wir ihnen während der Feier überreichten. Aus dem Altersheim hatten wir auch den alten Hoffmann eingeladen. Er stammte aus Augsburg und war eine arme Haut. Er ging meist unrasiert im Dorf herum, zum Anziehen hatte er auch nichts besonderes. Wie ich die Geldbriefe verteilt habe, suchte ich den Hoffmann und konnte ihn nicht finden. Ich fragte eine Frau, ob sie den Hoffmann nicht gesehen habe. Sie sagte, da sitzt er ja. Er war sauber angezogen und schön rasiert. Die Oberin im Heim hatte zu ihm gesagt, dass er sich sauber herrichte, wenn er zur Weihnachtsfeier gehe.
Es gab bei all der Arbeit auch nette Erlebnisse, aber auch Ärger. Eine Familie, deren Kinder wir auch beschenkten, war anstatt dankbar zu sein ganz unverschämt. Die Frau hatte doch persönlich auch etwas bekommen übers Jahr. Wie bei der Sammlung eine Sammlerin bei ihr war, hat sie zu ihr gesagt, mein Mann hat gesagt, da geben wir nichts. Nicht einmal 50 Pfennig, mehr hat man ja damals eh nie bekommen. Als wir die nächste Weihnachtsfeier durchführten, schickte sie ihre drei Kinder auch hin. Der ältere Junge sagte zu mir: Frau Langer, einen schönen Gruß von der Mutter, sie lässt fragen, ob sie auch was kriegt. Das fand ich schon mehr als frech.
Als die Ortsvereine und der Kreis zu etwas Geld kamen, wurde mit der Erholung von Kindern, Müttern und alten Leuten begonnen. Kinder konnten eine Zeit nach Rechtis, dann Scheffau und Niederaunau, Dinkelscherben und zuletzt nach Südtirol. Mütter kamen nach Dorfen. Ältere Leute nach Scheffau, Kempfenhausen und Legau.
Eine alte kranke Frau wollten wir zur Erholung wegschicken. Es war wirklich ein notwendiger Fall. Wir schickten sie nach Wertingen mit dem ärztlichen Attest zum Amtsarzt. Die Frau kam weinend zurück und sagte mir, der Amtsarzt hat gesagt, wenn ich so alt bin wie sie, dann bleib ich am Arsch daheim sitzen. Das war ein echter Oberbayer, wie der Franz Josef Strauß. Ich habe ihr gesagt, sie soll sich noch einmal ein neues Attest schreiben lassen. Hab es dann genommen und bin zu dem Amtsarzt gefahren. Dann ist es gleich gegangen. So gab es verschiedenes, wie es auch heute noch der Fall ist.
Mit der Mitgliederzahl wurde es immer besser; auch mit den Landessammlungen. Der Landkreis bestand aus 55 Gemeinden. Die Ortsvereine sammelten in ihrer Gemeinde und in einigen Nachbarorten, wenn genügend Sammler da waren. Um so viele Gemeinden wie möglich in den Sammelbereich einzubeziehen, schrieb ich bis zu 25 Gemeinden an. Es sollte zwar nicht sein, aber in den meisten Fällen hatte ich bei den Bürgermeistern Glück. Es war ein schweres Stück Arbeit für mich. Die Schreiben mussten so sein, dass sie auch an das Herz des Bürgermeisters heran kamen. Bis ich jedoch die Listen und das Geld bekam, musste ich immer wieder schreiben. (...)
Nach der Auflösung des Landkreises konnte die schöne Summe von 12.000 DM an die Ortsvereine und ein Teil an den neuen Kreisverband Augsburg Land verteilt werden. So beschlossen, wurde mein Antrag einstimmig angenommen. Die Ortsvereine konnten so mehr Mittel für die sozialen Belange ausgeben.
Die Ortsvereine halten alljährlich einen Ball mit Tombola ab. Der Reinerlös wurde wieder zur Altenerholung, Kindererholung und Krankenbetreuung verwendet.
Die Altenclubs erfreuen sich großer Beliebtheit. Die alten Leute haben doch nur das eine Vergnügen, die Zeit im Altenclub. Auch die Fahrten finden großen Anklang. Wenn die Leute aus dem Bus aussteigen, fragen sie schon, wo die nächste Reise hingeht. Was mich von der Bevölkerung am meisten geärgert hat, dass die Außenstehenden den alten Leuten das Stückl Kuchen, die Tasse Kaffee und das Bissl Brotzeit am Abend nicht vergönnen. Es war doch ihr eigenes Geld, das sie verbrauchen. Bei der Sammlung wurde es den Sammlern oft vorgehalten, dass das gesammelte Geld verfressen wird. Mit der Zeit ist diesen Leuten schon ein Licht aufgegangen, dass das nicht stimmt. Aber die Arbeit der Arbeiterwohlfahrt wurde auch anerkannt. Man merkte es an den steigenden Sammelergebnissen; für uns eine besondere Freude zu größerem Ansporn. (...)
Nach der Landkreisauflösung kamen Wertingen und Pfaffenhofen zum Landkreis Dillingen. Was beide Ortsvereine sehr bedauerten. Die gute Zusammenarbeit mit dem Kreisverband in den langen Jahren des Bestehens würde ihnen sehr fehlen. Das glaub ich schon, denn wir waren wie eine große Familie.
Meitingen, Westendorf und Herbertshofen kamen zum Kreisverband Augsburg Land. Meine drei Ortsvereine arbeiten nach der Kreisauflösung genau so tüchtig weiter wie bisher. Kinder- und Altenerholung, Kranken- und Altenbetreuung werden in erhöhtem Maße fortgeführt. In den früher zurückliegenden Jahren gab es einige Feste, die von den Ortsvereinen durchgeführt wurden und bei der Bevölkerung großen Anklang fanden. Müttergenesungswerk habe ich bis zur Kreisauflösung durchgeführt und seit 1972 mache ich die Blumensammlung noch weiter.
Meitingen, den 10.3.1979
Angela Langer
(leicht gekürzt und redigiert sowie der neuen Rechtschreibung angepasst)