Weiterführendes
Josef Mancal, Heinz Münzenrieder, Freie Wohlfahrtspflege vor Ort. 70 Jahre Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Schwaben 1927-1997, Augsburg 1997.
Dokumente
Bericht über die Jahreshauptversammlung der Arbeiterwohlfahr(Ortsverein Augsburg) für das Geschäftsjahr 1946/47
8. 2. 1947
Die in der "Schützenhalle" abgehaltene Jahreshauptversammlung der Arbeiterwohlfahrt Ortsverein Augsburg wurde von ersten Vorsitzenden Sennefelder mit einer Begrüßung der in großer Zahl erschienenen Mitglieder eröffnet, denen der Redner den Dank für ihre Mitarbeit und ihr heutiges Erscheinen ausdrückte. Gerade in unserer von unendlicher Not erfüllten Zeit sei es notwendig, die soziale Arbeit zu aktivieren und in der Zusammenarbeit mit der staatlichen Wohlfahrtspflege fruchtbringend zu gestalten.
Sodann übergab der Vorsitzende dem als Referenten erschienenen Bezirkssekretär der Arbeiterwohlfahrt Franken, Schubert, das Wort. Dieser ging in seinen Ausführungen von der Erschwerung aus, der die Arbeit der Arbeiterwohlfahrt unter den heutigen Zeitverhältnissen unterliegt, und erinnerte an die Gründung unserer freien Wohlfahrtseinrichtung durch Marie Juchacz, die heutige Vizepräsidentin der Arbeiterwohlfahrt in New York, dann an die Entwicklungsjahre, in denen sich ganz besonders auch die heutige stellvertretende Oberbürgermeisterin von Berlin, Luise Schröder, für die Sache einsetzte. Ein langsamer aber stetiger Aufstieg bis zum Jahr 1933 war der Erfolg dieser Bemühungen. Die heutige Lage kennzeichnet sich als eine geschichtliche Parallele: Damals wie jetzt ein verlorener Krieg, ein zusammengebrochenes Regime, eine zerstörte Wirtschaft – nur dass heute die Wunden, die uns der Krieg hinterlassen hat, viel schwerer zu heilen sind, dass die Zerstörungen auf allen Gebieten viel umfangreicher sind. Der Redner schilderte dann weiter die besonderen Schädigungen, die die Arbeiterwohlfahrt durch das Hitlerregime erlitten hat: Den vollständigen Verlust des Vermögens, die Wegnahme aller Heime und der mühsam und unter großem Kostenaufwand geschaffenen sonstigen Einrichtungen. Der Neuaufbau eines allen sozialen Anforderungen genügenden Staates wird ohne die Mitarbeit der Arbeiterwohlfahrt nicht möglich sein, woraus sich die eminente Richtigkeit unserer Arbeit ergibt. Sodann gab der Referent einen Einblick in die Kleinarbeit in seinem Bezirk Franken und zeigte an diesem Beispiel, wie in der Verpflegung der Jugendzeltlager und im Aufbau von Volksküchen praktisch gearbeitet werden kann. Er wies ferner auf die Notwendigkeit der Erfassung jugendlicher Kräfte und deren Heranziehung zur Mitarbeit hin. Als besonders wichtig bezeichnete der Referent die Beteiligung von Mitgliedern der Arbeiterwohlfahrt in den Wohlfahrts- und Fürsorgeausschüssen der öffentlichen Körperschaften, weil nur dadurch der von der Arbeiterwohlfahrt vertretene große Personenkreis die Gewähr erhält, dass seine Interessen in einer den Grundsätzen der Demokratie genügenden Weise betreut werden. Die Arbeiterwohlfahrt muss ihren Einfluss auf die Gestaltung der öffentlichen Fürsorge ausüben. Zum Schluss rief der Redner noch zur eifrigen Mitarbeit im Sinne der sozialen Einstellung unserer Weltanschauung auf.
Anschließend gab der Vorsitzende Gen. Sennefelder den Geschäftsbericht über die Arbeit des Ortsvereins im letztvergangenen Jahr. An erster Stelle erwähnte er die im Kinderheim Mickhausen geleistete Aufbauarbeit, die allen Schwierigkeiten zum Trotz durchgeführt werden konnte. Gerade die harte und schwere Nachkriegszeit macht eine besondere Fürsorge für unsere Kinder notwendig, und es ist zu begrüßen, dass den Kindern durch zusätzliche Zuwendung ausländischer Lebensmittel eine bessere Verpflegung gegeben werden kann. Es können im Kinderheim Mickhausen jeweils 40 Kinder auf vier Wochen untergebracht werden - 20 Kinder aus Augsburg und 20 solche aus Flüchtlingslagern. Es wurden Gewichtszunahmen von 1 bis 4 Kilogramm erzielt. Dann gab der Redner noch Auskunft über die Care-Pakete-Aktion, in deren Durchführung die Pakete an die von den Spendern vorgeschriebenen Adressen geleitet werden müssen. Als Frachtkosten mussten 5000 Reichsmark aufgebracht werden. Genosse Sennefelder erwähnte ferner die dankenswerte Mitarbeit rühriger Genossinnen, unter der Leitung unsere Genossin Anna Bittracher, und wies auf die Notwendigkeit hin, eine hauptamtliche Schreibkraft einzusetzen, die der Genossin Simon helfend an die Hand geht, damit letztere die Arbeit im Bezirk vorbereiten und vorwärts treiben kann.
Im Anschluss daran berichtete Genossin Maria Simon über die Fülle der Kleinarbeiten, die im abgelaufenen Jahr geleistet werden mussten, und deren Umfang dem Unbeteiligten nicht zum Bewusstsein kommen kann. Sie erwähnte besonders auch die Notwendigkeit baulicher Veränderungen im Kinderheim Mickhausen und Personalfragen. Die Weihnachtsfeier der Arbeiterwohlfahrt brachte 500 Kindern und 200 sonstigen Bedürftigen Freude.
Zum Schluss gab Gen. Stier einen Kassenbericht des Geschäftsjahres, aus dem hervorgeht, dass dieses mit einem Überschuss von 18889,50 Rm. abschloss. Nach einer regen Diskussion zum Referat fand die Neuwahl durch die anwesenden Mitglieder statt:
1. Vorsitzender: Gen. Sennefelder
2. Vorsitzende: Maria Simon
Kassier: Reinhard Stier
Schriftführer: Martha Eder
Ausschussmitglieder: Genossinnen und Genossen Mayr, Bachmann, Baur, Opalka, Bodenlohr, Butz Max, Deuter Karl, Scheurer, Hermann.
Zum Schluss rief der Vorsitzende Gen. Sennefelder nochmals zu weiterer regen Mitarbeit und Werbung für die Ziele der Arbeiterwohlfahrt auf, der freien Wohlfahrtseinrichtung, die ihre Hilfe in den Dienst der notleidenden Bevölkerung stellt ohne Rücksicht auf politische und konfessionelle Zugehörigkeit, aufgebaut aber vom arbeitenden Menschen für den arbeitenden Menschen.
Martha Eder
Die Schwäbischen Landeszeitung hielt am 3.5.1950 anlässlich einer Sammlung der Arbeiterwohlfahrt den Alltag in und um die Geschäftsstelle des Kreisverbandes Augsburg-Stadt eindrücklich fest:
„In diesen Tagen kann es einem passieren, dass man auf der Straße angehalten und gebeten wird: „Haben Sie vielleicht eine kleine Spende für die Arbeiterwohlfahrt?“ Ach, du lieber Himmel, schon wieder eine Sammlung! Was tun die Leute eigentlich mit dem vielen Geld und überhaupt – wo und wie betätigt sich diese Organisation? Wie der Name „Verein für Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Augsburg und Umgebung e.V.“ schon sagt, handelt es sich um ein soziales Hilfswerk. Das kleine Büro (ohne Bürokratismus!) dieser Organisation, deren Zeichen das Herz mit den Buchstaben AW ist, befindet sich in der Äußeren Uferstraße. Jeden Werktag geben sich hier hilfsbedürftige Menschen einander die Türklinke in die Hand. Sie haben Bitten, Sorgen und Wünsche, sie brauchen Unterstützung und fragen um Rat. Einen breiten Raum in der Fürsorge der Arbeiterwohlfahrt nimmt die Betreuung der Heimkehrer ein. Es sind monatlich durchschnittlich 45 entlassene Landser, die den Weg in die Äußere Uferstraße finden, erst neuerdings ist ihre Zahl geringer geworden. Wenn sie es wünschen und Plätze frei sind, wird den Heimkehrern ein meist sechswöchiger Erholungsaufenthalt in einem der Heimkehrererholungsheime des Bezirksverbandes oder des Landesverbands der Arbeiterwohlfahrt vermittelt. Ein kleines Taschengeld und die Fahrtkosten bezahlt die Augsburger Arbeiterwohlfahrt. Die Jugendbetreuung der AW umfasst besonders die vorbeugende Gesundheitsfürsorge und die Verschickung in eigene Heime der Arbeiterwohlfahrt oder in Sommerlager. Darüber hinaus kommen noch viele andere Leute zur Arbeiterwohlfahrt: Witwen und Waisen, alte Rentner, Invaliden, Kriegsbeschädigte und Erwerbslose. Man fragt sie nicht nach Konfession oder Partei.“